Donnerstag 24. April
Sprengstoffanschlag am Airport Nuernberg
Wir wollen nicht nur segeln, wir wollen auch wieder musizieren. Dies ist das Motto unseres Frühjahrstörn 2014 und der Grund, warum wir unsere Instrumente dabei haben. Dummerweise schlägt beim Zoll am Nürnberger Flughafen an Mathias Bassgitarre die Sprengstoffwarnung an. Erst nach einigem Hin und Her werden wir als ungefährlich rehabilitiert und können unsere Reise nach Izmir via Istanbul antreten. Ein Unglück kommt bekanntlich selten allein. Und so vermissen wir in Izmir an der Gepäckausgabe eine Reisetasche. Na toll! Thomas, um Verwechslungen auszuschließen „T2“ genannt, bekommt sie mit der nächsten Maschine nachgeliefert. Aber jetzt ist es dann doch zu spät, um im Marina-Cafe in Kusadasi noch aufzuspielen. Wir beschränken uns deshalb auf Biertrinken, China-Food und eine erste Bandprobe unter Deck.
Freitag 25. April
Halte Dich vom Efes fern!
Wir treffen mehrere Ecker-Geschädigte am Steg. Hannes, Eigner der Orion zusammen mit seinen netten Mädels. Dietmar mit seiner netten Frau. Ja, eigentlich lauter nette Leute. Der Freitag sollte zum Aufrüsten der MERLIN dienen, aber Günter, der die MERLIN vor Ort betreut, hatte alles bereits perfekt vorbereitet. Wir nutzen die gewonnene Freizeit für ein opulentes türkisches Frühstück, zu einem ausgiebigen Stadtrundgang und zum Relaxen nach einem ausufernden Besuch einer Konditorei. Erst gegen 21:00 Uhr raffen wir uns endlich zum Einkauf der Bordverpflegung auf. Musik, Raki, Efes und Snacks runden das Abend- bzw. Nachtprogramm ab. Es wird ziemlich „feucht“, obwohl Co-Skipper Mathias vor der Abreise den guten Rat bekommen hat, sich vom Efes fern zu halten. Es hat nichts genützt.
Samstag 26. April. Log 13.800NM, QNH 1010hPa
Scharfe Nudeln mit Musik
Jetzt kann´s richtig losgehen. Um 9:30 Uhr legen wir von Steg ab. Nach einem kurzen Tankstopp schippern wir aus der Marina Richtung 230 Grad durch die Straße von Samos. Alte Erinnerungen kommen hoch. Vor 8 Jahren sind wir von Samos aus gestartet und haben auf das für uns fremde Festland der Türkei hinüber geblickt. Jetzt, von dort kommend, blicken wir auf die fremden Inseln Griechenlands. Alles wohl reine Ansichtssache. Um 13:00 Uhr passieren wir die unbewohnte Insel Bayrak Adasi und erreichen eine Stunde später unser Tagesziel St. Nikolo. Zum Ankern ist es eigentlich noch zu früh. Nachdem Wind einsetzt, wollen wir noch ein paar Manöver unter Segel fahren. Der Wind frischt auf und steht so günstig, dass wir uns zur Weiterfahrt in den Golf von Mandalya (Güllük Körfezi) entschließen. Um 19:00 Uhr erreichen wir die einsame Bucht Cukuruc und Ankern nach 41 Seemeilen auf 4 Meter Tiefe mit 45 Meter Kette. Der Sonnenuntergang wirkt wie auf einer Kitschpostkarte. Rotwein, Spaghetti ala rabiata und Bandprobe bis tief in die Nacht.
Sonntag 27. April
Ab 23:00 Uhr herrscht unter Deck striktes Bierdosenfaltverbot.
09:15 Uhr. Nachts hat die Bewölkung zugenommen. Der Wind frischt kräftig auf. Nach einem kurzen, aber kalten Bad und einem ausgiebigen Frühstück gehen wir gegen 12:00 Uhr Anker auf und segeln zur Insel Farmakonisi. Eine Wolkenwalze kommt uns direkt entgegen, bringt noch stärkeren Wind und auch Regen mit sich. Wir runden die Insel und durchqueren den Güllük Körfezi von West nach Ost. Wind und Wellen nehmen stetig zu und um uns bilden sich rasch Gewitter. Der April macht seinem Namen alle Ehre. Starkregen mit Blitzen, sogar einige Hagelkörner sind dabei. Das Navigieren quer durch die Fischzuchtanlagen ist ungewohnt und bedarf etwas Aufmerksamkeit. Wir flüchten in den hintersten Teil der Bucht nach Gülvercinlik. Es ist wie so häufig ein Wettlauf mit der Zeit. Um 20:00 Uhr, beim letzten Büchsenlicht, erreichen wir unser Ziel. Zum Glück sind wir zum Abendessen nicht an Lang gegangen. Die nächste Gewitterfront überrascht und überrumpelt uns förmlich. Beim ersten Blitzschlag ist die gesamte Bucht ohne Strom. Trotz 40 Meter Kette und sorgfältig eingefahrenem Anker driften wir deutlich ab. Wir sind in ständiger Alarmbereitschaft, lassen uns aber trotzdem Mathias Pizza gut schmecken. Ab 23:30 Uhr wird es etwas ruhiger nur das Geblitze hält noch lange nach. Um 3:00 Uhr ist es endgültig friedlich und die Nachtwache kann eingestellt werden.
Sonntag 28.April Log 13925NM, QNH 1009hPa
Angora kann man trinken
Es ist bedeckt und deutlich kälter geworden. Wetterbericht und NAVTEX sprechen von Regen für die kommenden Tage. Um 11:00 Uhr fahren wir voll besegelt aus der Bucht. Claus, unser vierter Mann, macht seine ersten Segelerfahrungen. Er ist der Newcomer an Bord und hat sich bisher recht tapfer geschlagen. Wir reiten praktisch den ganzen Golf hoch und wieder runter und landen gegen 17:30 Uhr in Güllük. Einem, vom Rest der Welt vergessenen Hafenstädtchen das seine Prunkzeit lange hinter sich gelassen hat. Der früher als Frachtpier fungierende Ladekai ist so gut wie leer, allerdings durch den anstehenden Schwell auch nicht besonders gemütlich. So kommt es uns nicht einmal ungelegen, dass wir vom Hafenmeister dort wieder vertrieben werden. Das Tageslicht reicht noch locker aus, um in die nahe gelegene Bucht Ülelibük einzulaufen. Die letzte stürmische Nacht noch im Nacken, stecken wir gleich zwei verkattete Anker in den Schlick und lassen 50 Meter Kette ausrauschen. Leider nicht ganz ohne Blutverlust und Prellungen. Tagesstrecke 40NM. Das NAVTEX hat sich auf Galewarning gesteigert. Aber was soll´s. Wir liegen hier ziemlich sicher. Also, Rotweinflasche (der gute Angora) köpfen. Kapitänsdinner ist angesagt. Natürlich mit Hausmusik. What else!
Montag 29. April Log 13925NM
Kürbisbeleuchtung
Wir kommen morgens nicht aus dem Quark. Die Leute vom Nachbarboot haben schon Brot eingekauft und uns netterweise einen Laib an Deck gelegt. Lieben Dank, unbekannterweise. Wir haben es leider komplett verpennt und konnten uns daher leider nicht persönlich bedanken. Zum wachwerden ist eine Runde schwimmen im gefühlt 17 Grad kalten Wasser angesagt. Es gibt Obstsalat zum Frühstück, Skorbut ist somit kein Problem für uns. Um 12:00 Uhr holen wir sämtliche Anker aus dem Wasser und segeln los. Unser Ziel ist Gümüslik Limani, der Name passt irgendwie zum Obstsalat und liegt westlich von Bodrum. Um 17:00 Uhr runden wir Kap Yalikava. Der Wind steht jetzt so ungünstig, dass wir von Segel auf Motor umstellen. Eine Feriensiedlung reiht sich an die Nächste. Alle Häuser sehen gleich aus. Alles ist rechtwinklig und würfelartig angeordnet, nur die jeweilige Hangschräge lockert die Symmetrie etwas auf. Die Türken haben hier eine Glanzleistung an Naturschändung vollbracht. Für uns ist dies unbegreiflich.
Es ist mal wieder ein Wettlauf mit der Zeit, da Gümüslik noch 1 ½ Stunden entfernt liegt und laut Hafenhandbuch meist überlaufen ist. Um 18:45 Uhr dampfen wir in die Bucht ein. Sie ist von weitem bereits durch eine große Türkische Fahne am vorgelagerten Hügel erkennbar. Einige Yachten liegen bereits frei schwojend im Naturhafenbecken verstreut. Wir reihen uns ordnungsgemäß ein. 50 Meter Kette bei 11,9 Meter Tiefe. Zum Abendessen im Melengec-Restaurant kommt erstmals der Dinghi-Kapitän zum Einsatz. Im mit Zierkürbissen beleuchteten Strandlokal gibt es neben den vielen türkischen Vorspeisen als Hauptgang eine leckere Fischsuppe, die den kalten Abend etwas wohliger erscheinen lässt, denn das Lagerfeuer aus einem alten Ölfass räuchert mehr als es wärmt. Zum Absacker an Bord unterhält uns noch ein Berliner Känguru (CD), dann geht´s in die Koje. Erstmals ohne Hausmusik.
Dienstag 30. April 1010hPa
Ein Türkisches Bad.
Die abendliche Windstille war nur von kurzer Dauer. Um 04:00 Uhr bläst es schon wieder mit 17kt. und es regnet leicht. 06:00 Uhr: Einige spontane Kontrollgänge von Mathias und mir waren notwendig. Aber der Anker hält bombenfest. Um 8:00 Uhr gibt es den gewohnten Cappucino. Beim Landgang zum Proviant nachbunkern geht Claus unfreiwillig baden. Ein anderer wäre wohl ersoffen, aber mit seinen 1,93 Metern ist quasi fasst nix passiert. Für uns sehr zeitig, geht es um 10:45 Uhr bereits Anker auf. Vorher muss noch die nachts sehr beanspruchte Ankerkralle entwirrt werden und schon stampfen wir durch die Wellen. Nach einer Stunde Fahrt bauen sich vor und hinter uns mehrere Gewitterzellen auf. Starkregen setzt ein und die Sicht geht zeitweise auf ein paar Meter zurück. Wir geben unser geplantes Ziel auf und versuchen die D-Marin bei Didim anzulaufen. Der erste nahe Blitz war eigentlich schon beeindruckend. Mathias hat sogar die Druckwelle im Rücken verspürt. Der Nächste schlug dann kurze Zeit später 20 Meter steuerbord vor uns ins Wasser. Das war sehr beeindruckend. Es nützt auch nichts, die Hände vom Metallsteuerrad zu lassen, wenn man knöcheltief im Wasser steht. Irgendwie schon ein mulmiges Gefühl, so ein unfreiwilliges Türkisches Bad. Um 13:30 Uhr erreichen wir die Marina, mit der wir erst eine Meile vorher Sichtkontakt haben. So schnell die Gewitter kamen, sind sie auch wieder abgezogen. Und trotzdem hat keiner große Lust heute weiter zu segeln. Nachdem wir unsere Wunden geleckt und die Sachen zum Trocknen aufgehängt haben, nutzen wir den Nachmittag, um die Stadt Didim zu besichtigen. Mit dem Dolmusch, dem typischen türkischen Verkehrsmittel, geht es zur Cami-Moschee und anschließend zum Apollo-Tempel. Im Schnellrestaurant Sehir Lokantasi, im Zentrum von Didim, nehmen wir ein sehr leckeres Abendessen ein.
Donnerstag 1. Mai
Krankentransport nach Kusadasi
Mitten im gestrigen Sturm (Es hatte immerhin längere Zeit konstant 8bft Windstärke.) ereilte uns ein Telefonat von Günter. Ein Skipper ist erkrankt und liegt mit seiner Yacht in Samos. Seine Frau kann das Boot unmöglich alleine zurück fahren. Also machen wir uns bei Zeiten auf den Weg um zu helfen. Ein Totalausfall der EDV-Anlage im Marinabüro verzögert unsere Abreise leicht. Aber um 8:30 Uhr sind wir dann doch noch planmäßig unterwegs. Wir motoren gegen den Wind bis zur Einfahrt in die Samos Marina. Doro erwartet uns schon. Nach einem kurzen Check übernimmt Mathias das Ruder auf der Casa Cora und es kann losgehen. Zunächst laufen wir parallel, setzen dann aber um 13:30 Uhr die Segel und sausen im Schmetterling davon. Teilweise mit bis zu 10kt geht es nach Hause. Nach kurzem Tankstopp geht gegen 17:30 Uhr der seglerische Teil der Reise zu Ende. Das Log zeigt 14024NM. Wir sind also am letzten Tag noch mal 49NM gefahren und der gesamte Törn betrug 224NM im Gebiet um Samos und dem Golf von Güllük.
Freitag 2. Mai
Abschiedskonzert mit Freunden.
Mathias wird um 02:00 Uhr vom Taxi abgeholt. Er muss wegen eines wichtigen Auftritts einen Tag vor uns daheim sein. Nach seiner Abreise legen wir uns endlich schlafen. Früh, oder sagen wir besser Mittag, fahren wir nach Effesuss und machen auf Kultur. Normalerweise interessiere ich mich nicht besonders für Steine, aber Effesuss ist wirklich sehr beeindruckend. Am Rückweg legen wir noch einen kurzen Stopp auf einem kleinen Flugplatz ein und lernen nette Fliegerkameraden kennen. Zum Sundowner holen wir ein letztes Mal die Instrumente an Deck und werden spontan von Walter auf seine blaue Yacht eingeladen. Die neuen Freundschaften werden zusammen mit Esra und Günter in einem erstklassigen Fischrestaurant vertieft. Bis Mitternacht geht es mit unserer Livemusik weiter. Anschließend heißt es Seesack packen und Abschied nehmen.
Viel erlebt, viele neue Eindrücke, neue Erfahrungen, neue Freunde. Ich bin mit Wehmut ins Taxi gestiegen und möchte am liebsten da bleiben.
Thomas
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