Montag, der 29. Oktober. Vorausgeeilt

Nach unserem längeren Törn im Frühjahr und einem nicht enden wollenden Sommer in Deutschland, bin ich mal wieder auf dem Weg zu MERLIN. Im Anflug auf Istanbul zeige ich meinem deutschtürkischen Sitznachbarn den neuen Flughafen aus der Luft. Als Pilot hat man ein Auge für sowas. Er ist begeistert und gibt die Info lautstark an die halbe Besatzung weiter. Viele türkische Mitreisende verlassen spontan ihre Plätze, um auf der Backbordseite durch die Kabinenfenster zu schauen. Irgendwie hatte ich den Eindruck, der Autopilot musste kurzzeitig ziemlich gegensteuern. Was ich bis dahin nicht wusste, dass heute Staatsfeiertag in der Türkei ist und genau zur selben Stunde der neue Flughafen mit Pomp und Gloria eingeweiht wurde.

Ich bin meiner Crew zwei Tage vorausgeeilt. Das gibt mir Zeit, MERLIN in aller Ruhe auf den Törn vorzubereiten, am Hafen und Strand zu flanieren, neue Bootschuhe einzukaufen, mit anderen Eignern zu plauschen und ausgiebig mit der Stützpunkt-Crew zu sprechen. Ingrid ist dieses Mal nicht mit dabei. Wir haben einen vierbeinigen Familiennachwuchs erhalten, der zuhause all ihre Aufmerksamkeit braucht.

Donnerstag, der 1. November.  Pasarella mit Zwiebel und Thunfisch

Spät ist es gestern geworden bis die Crew endlich eintraf. Trotz der langen Reise waren die Jungs noch ziemlich fit, haben gleich meine Biervorräte geplündert und wollten, trotz üppiger Bordverpflegung, noch ins Palmyra zum Abendessen. Trotz zweistündiger Zeitverschiebung kommt bereits um acht Uhr morgens, Leben ins Boot. Frühstück im D-Cuisine in der Marina, Proviant einkaufen, MERLIN abfahrbereit machen.

Um 12:30 Uhr legen wir vom Steg C ab. Die Reise soll uns diesmal Richtung Südosten führen.  Das heutige Ziel, aufgrund der bereits fortgeschrittenen Tageszeit, ist Karacaören.  Es wehen schwache thermische Winde, die uns mit drei bis vier Knoten Fahrt voran bringt. Eigentlich der richtige Start, sich wieder ans Segelleben zu gewöhnen und vergessenes aufzufrischen.

Ab Dökükbaşi schläft der Wind ein. Wir motoren ums Kap bis zu unserem Ziel. Bei der Ansteuerung sollte man sich genau ans Hafenhandbuch halten.  Verlockend die Abkürzung, die aber böse enden kann.  Der Senior-Chef hilft beim Festmachen an einer Mooring-Boje.  Zum Abendessen wird man abgeholt. Verabredetes Signal ist ein kräftiger Stoß ins Nebelhorn. Die Taverne besteht zum Großteil aus einer hölzernen und etwas klapprigen Terrasse.  Die Speisen werden im Holzbackofen zubereitet. Wenn auch etwas schmuddelig, ist es hier immer recht nett, familiär und herzlich.

 

Freitag, der 2. November.

Kühlschrankreferent und Kaffee-Thermoskannen-Beauftragter.

Die Nacht war kurz. Um 7:00 Uhr wecken, um 7:05 Uhr laufen wir los. Körperpflege und Frühstück erfolgen unter Fahrt. Es liegen 45 NM vor uns und  die Zeit zwischen Sonnenaufgang  und Untergang beträgt im November gerade mal neun Stunden.  Die Sonnenaufgänge auf See sind immer wieder atemberaubend. Gegen 9:00 Uhr passieren wir das Erste der sieben Kaps.  Als auch der Letzte aus der Nasszelle steigt, verfliegt langsam der Räuchergeruch vom offenen Kamin, letzten Abend.  Als wir gegen 11:00 Uhr das siebte Kap querab haben, herrscht immer noch absolute Flaute.  Hinter der Insel Saribelen, kurz nach Kalkan, legen wir einen Badesstopp ein.  Da wir recht flott vorankamen, gestaltet sich die Pause etwas länger. In geheimer Wahl werden einige wichtige Posten vergeben. Es gibt Häppchen und handgemachte Bordmusik. Schließlich haben wir Gitarre und Keyboard ab Bord.

Gegen 17:00 Uhr erreichen wir Kaş-Marina und machen am Steg G, Platz Nr. 24 1/2 fest. Besser hab ich´s nicht getroffen. Abends zum Landgang nach Kaş und in mein Stammlokal Yesil. Das Essen ist gut, der Preis unschlagbar. Anschließend noch ein handgerolltes Eis und für den Absacker an Bord noch eine Box mit dem klebrig pappigen und triefenden Blätterteiggebäck, auch Baklava genannt .

 

Samstag, der 3. November. Wabu voll

Kurz nach 08:00 Uhr kommt Bewegung ins Boot. Die Morgenblase drückt. Den ersten Kaffee bzw. Tee trinken wir an Bord. Das eigentliche und ausgiebige türkische Frühstück nehmen wir im Marina-Restaurant „Pasarella“  ein. Einige Lebensmittel müssen bereits nachgebunkert werden. Vor allen Dingen Bier 😉 Und wir brauchen Wasser, da wir vor der Abfahrt glatt vergessen haben, den Wassertank zu füllen. Stressfrei geht es um 12:00 Uhr aus der Marina-Bucht, dann unter Motor links ums Kap herum, Kurs 140 Grad. Wir haben Zeit. Nutzen die fünf bis sechs Knoten Wind und schippern voll besegelt an Kastellorizon vorbei, Richtung Kekova.  Der Wind dreht immer wieder und wir müssen feststellen, dass wir trotz kreuzen kaum mehr vorwärts kommen.  Um 15:00 Uhr nehmen wir den Motor zu Hilfe, um unseren Ankerplatz bei Tageslicht noch zu erreichen. Gegen 16:30 Uhr passieren wir die Einfahrt Akar Geçidi zum Kekova Körfezi. Die Sonne ist schon hinter den hohen Bergen verschwunden, als das Eisen auf 6 Meter Tiefe fällt.  Abends Kapitäns Dinner  mit allen unseren Rotweinvorräten. Danach Livemusik und anschließend Schottisch/Fränkische Songs von der CD.

Sonntag, der 4. November. Ein Kompliment.

Einige erfrischende Runden ums Boot lindern den Kopfschmerz. Es ist unser vierter gemeinsamer Segel-Tag. Und jeden Morgen begrüßt uns ein Stahlblauer Himmel.  Heute geht es, nach dem Frühstück, auf Wanderschaft. Wir setzen mit dem Dinghi über und erkunden eine antike Lykische Siedlung, rund zwei Kilometer vom Ankerplatz Polemos Bükü entfernt. Die Luft steht. Im Tal und am Berghang ist es drückend heiß. Ich bin froh, die Wanderung im November und nicht im August  zu machen. Kühle Getränke und ein Teller Hühnereintopf im schattigen Lokal am Strand, richten uns wieder auf. Nachmittags fahren wir ein Stück raus aus der Bucht und segeln dort wo es am besten läuft. Am Abend geht es zurück nach Kekova, in den inneren Bereich der Bucht. Es ist schon dunkel als uns mein Freund Hassan mit dem Boot abholt und nach Ügağız bringt. Wir nehmen die Instrumente mit an Land und drehen nach dem Essen mal richtig auf. Hassan wünscht sich ein deutsches Lied. Uns fällt spontan „Ein Kompliment“ von den Sportfreunden Stiller ein. Leider versteht er vom Text kein Wort. Wir erklären, dass es ein Kompliment an seine hervorragende Küche ist.

 

Montag, der 5. November. Wenn die Pizza trauer trägt.

Das Frühstück ist für Hartmut heilig. Die anderen ziehen da mit. Und so wird es jeden Morgen mit Rührei, allerlei Wurst und Schinken, Marmelade und Müsli zelebriert.  Wenn das so weiter geht, werde ich zwangsläufig auch noch zum Frühstücks-Fan.  Gegen 11:00 Uhr ist die letzte Tasse geleert und gespült. Wir machen uns auf den Weg, raus aus Kekova Körfezi. Mit leichten Winden geht es Richtung Demre. Ich möchte die unvollendete Marina inspizieren, die von weitem schon an der großen Steinmole erkennbar ist. Sie liegt Jahre schon da, wie eine Geisterlandschaft. Zu 80% fertig und doch nie zu Ende gebaut. Wir haben unser südöstlichstes Reiseziel erreicht. Mit den letzten thermischen Winden kreuzen wir zurück in die Yali-Bucht. Pizzateig entsteht. Als Teigroller muss eine leere Rotweinflasche herhalten.  Es gibt drei Bleche Pizza mit unterschiedlichen leckeren Belägen. Leider ist die Wärmeverteilung in Ofen nicht besonders homogen. So entstehen schwarze Streifen auf dem Pizzaboden. Hat man erst mal die richtige Esstechnik heraus, schmeckt es aber köstlich.

 

Dienstag, der 6. November.

Nur der Vollständigkeit halber. Es ist immer noch stahlblauer Himmel. Das Barometer steht auf 1020 hPa und hat sich die ganze Woche nicht weiter als um +/- 1 hPa bewegt. Die Wassertemperaturen betragen 24 Grad. Lediglich die ersten 10cm sind deutlich kälter. Die klare Nacht entzieht dem Oberflächenwasser die Wärme. Ein für uns neues Phänomen. Nach dem Bad folgt natürlich das fürstliche Frühstück. Sobald der erste Windhauch bläst, setzen wir Vollzeug und rauschen mit einem Knoten pro Stunde dahin. Ich hätte längst aufgegeben, aber die Crew ist voll bei der Sache. Es fallen Sprüche wie: das wird schon noch besser, segeln ist viel umweltfreundlicher, wir haben ja Zeit, wenn Du jetzt reinfällst, kommst nicht mal mehr hinterher. Ich lege mich in die Koje und lass die Jungs basteln. Gegen 16:00 Uhr müssen wir dann aber doch den Motor anwerfen. Das tägliche Rennen gegen den Sonnenuntergang steht an. Mit sechs Knoten geht es zurück nach Kaş. Ein Delphin kreuzt unsere Bahn, ist aber nicht zum Spielen aufgelegt. Eine große Wasserschildkröte taucht vor uns ab. Das von der Crew gebuchte Adventure-Packet ist somit auch erfüllt. Gegen 17:30 Uhr sind wir wieder in der Marina am Steg G Platz 14,0 fest. Ümit, auch schon ein liebe gewordener Freund, begrüßt uns herzlich im Büro. Es gibt so viele Lokale in Kaş, aber trotzdem zieht es mich immer wieder zu Yesil. Und der Karton Pappzeug darf hinterher natürlich auch nicht fehlen. Beim Absacker an Bord hängen alle müde rum, aber keiner will den Anfang machen. Ich kann leider nicht, da ich Mitschiffs im Salon schlafe.

 

Mittwoch, der 7. November. Guten Morgen Sonnenschein

Es ist 6:30 Uhr und wir werden, wie übrigens jeden Tag, von Nana Mouskouris Song „guten Morgen Sonnenschein“ geweckt. Zu so früher Stunde klingt der Song noch wesentlich nerviger. Zahnpflege, duschen, ablegen.  Um 7:00 Uhr sind wir unterwegs. Gegen 9:30 Uhr, querab Kalkan folgt die erste Kursänderung. Karin und Hartwig, die mit ihrer Bavaria 40 die Woche im selben Gebiet unterwegs waren, sind zeitgleich mit uns ausgelaufen. Ihr Boot läuft einiges schneller und man sieht sie jetzt nur noch schemenhaft am Horizont. Aber sie haben die Segel gesetzt. Da vorne muss also Wind sein.  Auch wir können eine Zeit lang gut segeln. Als der Wind abflaut beginnt wieder die Rechnerei mit Ankunftszeit und Sonnenuntergang. Wir nehmen den Motor mit zur Hilfe. In der großen Bucht vor Göçek ist eine Regatta im Gange. Allerdings mehr statisch, bei dem Lüftchen. Wir halten uns frei vom Geschehen und machen an einer Tonne nördlich der Sarsala-Bucht fest.  Unsere  Fahrt ist um 17:30 Uhr mit dem obligatorischen Manöverschluck beendet.  Es ist etwas frischer geworden. Nach drei Songs wird es zu kalt an Deck. Küchenchef T2homas gibt noch mal Alles und zum Nachtisch gibt es Wolfgang Buck auf CD, ein fränkischer Bardensänger mit hohem Niveau. Spät am Abend bewundere ich noch mal den Sternenhimmel. Einige Regattayachten stehen immer noch vor der letzten gelben Tonne.

Donnerstag, der 8. November. In aller Ruhe

Um 8:00 Uhr ein Schluck Kaffee. Ein letztes Mal ums Boot schwimmen, dann geht’s zurück nach Göçek in die Marina. Den Dieseltank füllen und weiter zum Steg C Platz Nr. 11 den wir um 10:30 Uhr erreichen. Es liegen 191 NM hinter uns. Der Weg ist das Ziel. Nach dem Frühstück schicke ich die Crew zum Tagesausflug nach Fethyie um in aller Ruhe das Boot abrüsten zu können. Genau wie bei Törnbeginn. In aller Ruhe.

Thomas

Danke an Christian, für die schönen Bilder

…und danke an die Crew für den harmonischen und schönen Törn.