Im Letzten Jahr ist MERLIN im Schnitt einen Knoten langsamer gesegelt. Bei starkem Gegenwind war selbst unter Motor kein Vorankommen mehr möglich. Und im  Marina-Bereich ist aufkreuzen  sehr nervtötend. Grund für die Entschleunigung, ist der Bewuchs am Unterwasserschiff. Zwar gibst es Spezialanstriche die den Muschelansatz eindämmen, die halten aber nur ein, zwei Jahre und müssen immer wieder am Trockendock erneuert werden.

Jens, ein Stegnachbar, hat mich auf CopperCoat aufmerksam gemacht. Ein Spezialanstrich auf Kupferbasis, der zwar teurer ist, aber dafür viele Jahre halten soll. Genau diese Beschichtung und weitere kleinere Wartungsarbeiten waren der Grund meiner Reise.

Es scheint, dass wir die Pandemie langsam in den Griff  bekommen. Die Inzidenzen in Deutschland sinken unter die 50er Grenzwerte. Und durch den harten Lockdown in der Türkei ist auch dort ein expotentieller Sinkflug der Ansteckungen angesagt. Trotz Impfung, ohne Stecker´l in die Nase und elektronischer Anmeldung beim türkischen Gesundheitswesen geht nichts. Sicherheit geht vor. Auch die Rückreise ist mit mehreren Nasenbohraktionen verbunden, um sich eine Quarantäne zu ersparen.

Nach einem kurzen Zwischenstopp bei Joanna und Marcel, SY Chulugi in Finike wird es dann doch 00:30 Uhr und somit bereits Donnerstag bis ich vor MERLIN stehe. Normalerweise betritt man ein Boot mittels Passarella über einen Steg. Diesmal geht´s über eine Leiter hinauf zu MERLIN, da die Marina-Crew das Boot bereits Tage vor meiner Ankunft an Land gebracht haben. Toller Ausguck hier oben, nur etwas ungewohnt, weil nichts schaukelt.

Merlin kommt aus dem Wasser

Donnerstag 3. Juni

Es klopft von außen an den Rumpf. Als ich von meinem Hochsitz blicke entdecke ich Burkhard, einer meiner Stegnachbarn und mittlerweile ein guter Freund. Er hat sich während meiner Abwesenheit rührend um MERLIN gekümmert. Hat aufgepasst dass beim Kranen alles glattgeht und mir Bilder zugeschickt. Leider waren auch Unschöne dabei, denn das Kielschwert war unverhältnismäßig stark verschmutzt und obendrein ziemlich verrostet.

Die Reparatur verursacht ungeplante Mehrkosten. Neben Burkhardt, der mit seiner Yamaha 650 kam, tuckert ein weiterer,  für mich neuer Typ mit dem Roller heran. Alex heißt er und sieht Obelix ein bisschen ähnlich. Nein nicht ähnlich, sondern wie aus dem Gesicht geschnitten. Später wird man uns für Brüder halten. Wir verabreden uns für Abends zum Bier.

Die Arbeiten an MERLIN sind gerade etwas ins Stocken geraten. Das Unterwasserschiff muss nach dem Ablösen der alten Schutzlackierung, Antifouling genannt, komplett abtrocknen. Aber aus dem Ruder tropft immer noch Wasser. Wir entscheiden, das GfK an der untersten stelle anzubohren, um den Trockenprozess zu beschleunigen und wenigstens schon mal das Schwert zu grundieren.

Freitag 4. Juni

Nachdem das Ruder immer noch „saftelt“, beschließe ich nach Göceck zu fahren, um Judith und Volkan von Sail with Friends zu besuchen. Moni, Burkhardts bessere Hälfte, bietet mir ihre Enduro an. So wird aus einer schnöden Taxifahrt eine geile Motorradtour zusammen mit Burkhardt.

Die neue entstehende Marina in Göcek

Auch wenn Judith und Volkan eigentlich immer gut gelaunt sind, so kann man zwischen ihren gesprochenen Sätzen erahnen, dass es um die Chartergeschäfte nicht zum Besten steht. Zuerst die staatlichen Einschränkungen, dann die Pandemie und zuletzt die unverhältnismäßig hohen Liegeplatzgebühren. Das zehrt an der Substanz. Obendrein kommen derzeit aus der EU kaum mehr Chartergäste. Hoffentlich geht das gut. Ich wünsche es den Beiden.

Die Tour zurück führt uns durch Fethye und ein Stück in die Berge. Wenn man da oben steht ereilt einem ein Gefühl der Freiheit. Beinahe wie beim Fliegen. Am Abend noch ein Bierchen im Oxygen, der Marina-Bar. Ich treffe Arsum, Herbert und einen Weiteren dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe. Arsum kannte ich schon, als sie noch den Marina-Waschsalon hatte. Eine kleine, pfiffige Türkin deren Organisationstalent es jederzeit mit einem Top-Manager aufnehmen könnte. Herbert besitzt einen großen Catamaran der in Göcek am selben Steg Merlin gegenüber stand. David und Goliath, sozusagen. Und auch an diesem Abend schwingt der Größenunterschied etwas mit. Er, spendabel den Damen gegenüber und mit dicker Zigarre in der Hand. Und ich mit einer 0,33er Bierflasche bewaffnet. Nur komisch, dass der Cat im Hafenbecken vor Anker liegt, um anscheinend die Mooring-Gebühren zu sparen. Aber es heißt ja immer, von den Reichen kann man das sparen lernen.

Samstag 5. Juni

Barograph

Ich habe mir einen lang ersehnten Wunsch erfüllt und mir noch in Deutschland einen elektronischen Barographen zugelegt. Das Teil muss im Reisegepäck mal wieder recht komisch ausgesehen haben. Denn wie so häufig werde ich beim Zoll gefilzt. Interessant für die Zöllner war dann auch dieses Trockenmittel mit dem ich das Boot während meiner Abwesenheitszeit trocken halte. Es kostete einige Überzeugungsarbeit, bis ich den Zöllnern das weiße Pulver in den Plastiktüten erklärt habe.

Aber zurück zum Barographen. Er zeigt nicht nur den momentanen Luftdruck, sondern auch Tendenzen und lässt somit eigene meteorologische Schlüsse zu.  Der Marinaschreiner bastelt mir fachgerecht eine Öffnung ins Instrumentenpaneel. Den anschließenden Einbau erledige ich selbst. Allerdings sehr langsam. Die Hitze unter Deck treibt selbst beim denken Schweißperlen auf die Stirn.

Die Außenarbeiten am Rumpf stehen still. Das Ruder ist immer noch nicht ganz abgetrocknet. Am Nachmittag nehme ich in Kas ein verspätetes Mittagessen ein. Hähnchenschenkel mit Reis, Salat und Brot dazu. Und natürlich Chai, das landestypische Nationalgetränk. Alles zusammen für 2,20 Euro. Der Wechselkurs könnte für uns Deutsche nicht günstiger stehen.

Sonntag, der 6. Juni

Corona bedingte Sonntags-Ausgangssperre. Touris dürfen sich aber frei bewegen. Nützt nur nichts, wenn die meisten Geschäfte und Lokale zu haben. Die Arbeiten an MERLIN´s Rumpf ruhen natürlich auch. Der Mann im einzigen offenen Supermarkt verkauft mir kein Bier. Sonntag ist Alkoholverbot. Zum Glück habe ich noch eine eisgekühlte Flasche Weißwein an Bord. Der Abend ist also gerettet. An Deck leise Musik, Erdnüsse, Wein und dazu ein grandioser Sonnenuntergang.

Montag, der 7. Juni

Die Arbeiten am Rumpf können beginnen. Nur ich schau etwas dumm aus der Wäsche. Der Weißwein fordert seinen Tribut. Während ich nach Kaffee lächtze, wird außen bereits die Grundierung aufgetragen. Die Jungs arbeiten recht professionell. Ich spendiere schon mal eine Runde eisgekühlte Cola, bevor ich mich zu einer kalten Dusche durchringe. Anschließend habe ich einen Termin bei Ümit, dem Marina-Chef. Es gibt Einiges zu besprechen. Er begrüßt mich schon längere Zeit mit den Worten „Hallo mein Freund“. Und langsam bin ich mir sicher, er meint das auch so.

Am Nachmittag wird die ausgehärtete Grundierung angeschliffen und für den Lackauftrag vorbereitet. Ich muss derweil schon mal die coronabedingten Rückreiseformalitäten ans RKI schicken. Dann beschaffe ich mir einen Motor-Roller für kleinere Unternehmungen.  Abends zusammen mit Susanne und Alex in Kas zum Essen. Wichtigstes Thema des Abends: Wie bekommt man eine Motoryacht von hier zum Main. Das ist in Coronazeiten gar nicht so einfach, wie ich erfahre. Trotzdem ist es nicht wirklich ein existenzielles Problem. Wie alle unsere Probleme die uns hier umtreiben. Oder um es mit den Worten des Liederbarden Wolfgang Buck auszudrücken: – jammern auf höchstem Niveu – „Meine Swimmingpool-Heizung treibt mich noch in den Ruin“.

Dienstag, der 8. Juni

Heute ist der große Anstrich-Tag. Ich habe mir abends noch mal das Hersteller-Video reingezogen. Die Beschichtung muss viermal und in bestimmten Zeitabständen aufgebracht werden. Durch die geringe Verarbeitungszeit darf immer nur eine begrenzte Menge angemischt werden. Und das im exakten Mischungsverhältnis. Sehr schnell bekomme ich mit, dass alles nach Plan abläuft und sehr profihaft gearbeitet wird. Meine Anspannung sinkt.

Grau – Grundierung; braun – CopperCoat; weiß – zugespachtelte Entwässerungsbohrungen

Um 16:00 Uhr werde ich von Okan, einem Agenten, abgeholt. Er bringt mich ins Hospital zum PCR Test. Mit im Auto sitzt Marcello. Ein kleiner, schmächtiger, sonnengegerbter Italiener. Das Größte an ihm ist sein Strohhut und die überdimensionale Sonnenbrille die man so in der 70ern getragen hat. Wir kommen schnell ins Gespräch. Er überstellt Schiffe, ist auf allen Weltmeeren zuhause und schon seit drei Jahren unterwegs. Derzeit fährt er einen Cat zurück nach Italien. Alleine! Eigentlich hätte ich gerne noch ein Bierchen mit ihm getrunken, zu dem uns Okan eingeladen hat. Aber ich wollte noch eine Rollertour unternehmen, ohne in die Nacht zu kommen. Ich besuche spontan Hassan und seine Familie in der Kekova-Bucht. Auch hier werde ich schon wie ein Familienmitglied begrüßt. 

Mittwoch, der 9. Juni

Mein letzter Tag im Hochsitz an Bord. Die Baustelle steht wieder still, da die Beschichtung einige Tage aushärten muss. Ich werde den Abschluß der Arbeiten wohl nicht mehr vor Ort erleben. Im Technikbüro besprechen wir die weitere Vorgehensweise. Ich denke ich kann mich auf die Leute hier verlassen. Eine Hiobsbotschaft ereilt mich trotzdem noch. Beim Check des Antriebs wird festgestellt, dass der Propeller ausgeschlagen ist und getauscht werden muss. Bei der Demontage kommt dann auch noch eine eingelaufene Welle zum Vorschein. Das wird noch ein weiteres Loch in meine Bordkasse reißen. Aber auch hier könnte man wieder Wolfgang Buck zitieren. Oder Werner Schmidbauer: „Wenn die Spritpreise weiter so steigen, dann muss ich noch meinen Hubschrauber verkaufen“.

Um mich etwas bei Laune zu halten, läd mich Burkhardt zu einer weiteren Motorrad-Tour ein. Dem kann ich natürlich nicht widerstehen, wenngleich eigentlich Alex an der Reihe wäre. So jedenfalls sein Gesichtsausdruck. Diesmal soll´s richtig in die Pampa gehen. Über Stock und Stein. Und an einem Solchen muss ich wohl auch hängen geblieben sein, als mich das Motorrad abgeworfen hat. Zum Glück, nichts gebrochen. Aber die Prellungen und Schürfwunden haben gereicht. Mit Jod und Eiswürfel versorgt, sitze ich im nächsten Dorf als Attraktion des Tages vor einem Lebensmittelmarkt und muss mir eingestehen, dass ich doch eher ein Straßen- als ein Schottertyp bin.

Am Abend, nach herrlichen Spaghetti, noch klar Schiff machen, den Scooter zurückbringen und die Reisetasche packen. Morgen geht´s zurück. Ich freue mich schon auf Zuhause, wenngleich ich es auch gerne noch eine Zeitlang hier ausgehalten hätte.

Tschüss MERLIN, bis bald!

Merlin