Nein, diesmal wird es kein Reisebericht über eine aufregende Segeltour. Diesmal ist Arbeiten angesagt. Ob es darüber berichtenswertes und obendrein auch noch lesenswertes gibt, liegt in der Entscheidung des Betrachters.

Schon weit vor der Abreise checke ich täglich die Wetterberichte. Sie verheißen nichts Gutes. Ich war vor Jahren schon mal an einem Januar in der Türkei. Sogar viel weiter nördlich. Damals konnte man tagsüber mit T-Shirt und kurzer Hose rumlaufen. Jetzt erwarten mich laut Wettervorhersage Höchsttemperaturen um die acht Grad mit viel Regen. Entsprechend demotiviert trudle ich am Donnerstagvormittag am Flughafen Nürnberg ein. Begleitet von meiner kleinen Familie, bestehen aus Frau und Hund. Die Begleitung ist wichtig für mich. Da mir Abschiede immer schwerer fallen, werde ich von den Beiden doch immer wieder motiviert.

Goya checkt die Abflugzeiten

Der Trip geht, wie so häufig, über einen Zwischenstopp am Drehkreuz Istanbul. Kurz vorm Abflug spreche ich mich telefonisch noch mit Serkan ab. Wir kommen zu dem Schluss, dass beim morgen zu erwartenden Dauerregen so gut wie keine Wartungsarbeiten möglich sind und verabreden uns deshalb erst für Samstag.

Weil wir schon gerade über Serkan reden. Er ist seit dem Frühjahr mein Schiffs-Partner geworden. Er kennt MERLIN noch aus der Zeit, als sie als Charteryacht ihr Geld verdienen musste. Kennt die Yacht besser als ich und mittlerweile wahrscheinlich sogar besser als die Herstellerfirma. Und er ist genauso verknallt in das Schiff, wie ich selbst. Serkan hat sich vor einigen Jahren selbstständig gemacht und in der Türkei eine Firma für Yachttechnik gegründet. Er kann sich durch seinen Fleiß und Sachverstand derzeit vor Aufträgen nicht retten. Und ich könnte mir menschlich und aufgrund seines Erfahrungsschatzes keinen besseren Partner wünschen. In absehbarer Zeit wird er MERLIN komplett übernehmen.

Aber jetzt zurück zum eigentlichen Vorhaben.

Freitag, der 08. Dezember 2023

Bei der Landung in Istanbul liegen die Wolken auf. Die offensichtlich vom Autopiloten durchgeführte Landung fällt entsprechend hart aus. Ich kenne das Verfahren. Bei diesen Bedingungen, Starkregen, Wolken bis zum Boden und der extrem nassen Landebahn, ein übliches Verfahren um den Flieger schnell am Boden und möglichst nicht zum schlingern zu bringen. Das gleiche Spiel dann in Dalaman. Allerdings ist es da auch noch stockdunkel geworden. Mein Fahrer, den ich spontan in Nürnberg geordert habe, steht schon bereit. Im nagelneuen 9sitzer-Bus geht es Richtung Kas. Wie ein VIP komme ich mir als einziger Passagier in den riesen Gefährt vor. VIP auch deshalb, weil draußen ständig Blitzlicht die Szene erhellt. Oder sind´s Gewitter? Kurz nach Mitternacht erreiche ich mein Ziel. Zum Glück hat es aufgehört zu regnen und ich komme einigermaßen trocken zum Boot. Die Passarella auslegen, Landstrom anschließen, Koje für die Nacht vorbereiten. So aufgewühlt brauch ich aber dann doch erstmal ein Bierchen. Zu essen gibt es leider nur noch ein paar Press-Chips aus der Dose. Gegen 2 Uhr falle ich  endlich in die Koje.

Die Nacht war kühl und durchwachsen, von hell aufleuchtenden Blitzen und Regengeprassel durchzogen. Sinnlos bei dem Sauwetter früh aufzustehen. Ich bleibe erstmal bis Mittag liegen. Dann quält mich der Hunger und ich wate, nach einer Katzenwäsche, in die Stadt. Die Preise fürs Essen haben sich fast verdreifacht. Sind aber für deutsche Verhältnisse und wohl auch durch die hohe Inflation für uns durchaus noch günstig. Nachmittag blickt dann doch die Sonne mal raus. Und man kann seinen Cappuccino im Freien genießen. Wenn auch mit Pulli.

Am Abend bin ich bei Burkhard und Monika zum Essen eingeladen. Es gibt Krautwickel mit Kartoffelbrei. Ich fühle mich, in mehrfacher Hinsicht, fast wie daheim. Nach dem Essen kommt ein regelrechter Sturm auf. Der Wind schiebt die massiven Gartenmöbel auf der Terrasse durch die Gegend. Gefolgt von Blitzen und wolkenbruchartigen Regenfällen. Ich will schnellstmöglich zurück an Bord. Wie ein begossener Pudel sitze ich unter Deck und wechsle erstmal sämtliche Kleidung. Zum Glück liegen von früheren Törns noch T-Shirts und eine Jogginghose rum. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass laut Wetterbericht morgen die Sonne scheinen soll.

Samstag, der 09. Dezember 2023

Die Sonne scheint. Und sofort bessert sich meine Stimmung. Kurz nach 10:00 Uhr kommt Serkan und hat, neben Werkzeug und Ersatzteilen, zwei seiner Mitarbeiter dabei. Es geht sofort zur Sache. Segel waschen, trocknen und unter Deck stauen. Bimini und Sprayhood abbauen. Alle Edelstahlteile an Deck polieren. Sowie das gesamte GfK-Deck. Außenbordmotor und Ankerwinsch für Wartungsarbeiten demontieren. Toilettenspülung reparieren. Geschwindigkeitssensor (von mir fälschlicher Weise Speed Log genannt) demontieren und säubern. Sicherungsleinen ausbringen usw. usw.

Die Arbeiten dauern den ganzen Tag an. Die Jungs werkeln wie die Verrückten. Ich versuche so gut wie möglich mit anzupacken, aber es fehlt mir leider an der nötigen Professionalität. Als Ausgleich kümmere ich mich um die Getränkeversorgung.

Am Abend sitze ich ziemlich geschafft unter Deck. Genieße die letzten Stunden an Bord. Zum Glück sind beim letzten Törn noch einige Dosen Bier übrig geblieben. Ein Prost auf die Herbst-Crew! Morgen um 6:00 Uhr ist wecken. Warm duschen, das Boot winterfest machen, dann geht es wieder zurück. Auf der Fahrt nach Antalya genieße ich jeden Sonnenstrahl und die ganz passablen 16 Grad Temperatur. Ade MERLIN, hoffentlich bis bald.   

Kein Triebwerksbrannt.
Da geht gerade die Sonne zwischen zwei unterschiedlich hohen Wolkenschichten unter.

       

Eine Zeitreise in die Vergangenheit

Vielleicht sollte ich doch meinen Rauschebart wieder abrasieren. Beim Zoll am Flughafen Nürnberg fragte mich die Dame, ob ich denn deutsch spreche, bevor sie mein Handgepäck durchwühlte. Mein als Taschenlampe getarntes Laserschwert entpuppte sich allerdings dann doch nur als schwach leuchtende Funzel. Aber nicht genug. Das iPad auf dem ich hier gerade „rumtippe“ wurde auf Sprengstoff und Drogen untersucht. Erst dann durfte ich zum Gate 121 weiter. 

Keine Angst, etwas weiter unten geht´s dann mit dem Törn-Bericht schon los. Aber irgendwie muss ich diesmal vorab ein paar Gedanken loswerden, die mich seit geraumer Zeit beschäftigen. Gedanken aus der Gegenwart, aber auch aus der Vergangenheit.

Was war ich früher abenteuer- und reiselustig. Das scheint mit zunehmendem Alter drastisch nachzulassen, um sich in andere Eigenschaften zu wandeln. Wie zum Beispiel Häuslichkeit, Einklang und Geborgenheit. Auch wenn man es mir äußerlich mit meiner schrulligen Art nicht anmerkt. Seit meine Ingrid nicht mehr mitsegelt und lieber beim Hündchen daheimbleibt, fallen mir Abschiede noch mal so schwer. Aber trotzdem freue ich mich auf einige entspannte Segeltage mit meinen Freunden Christian, Felix, Kalle und Lars (in alphabetischer Reihenfolge, versteht sich). Sie kommen in zwei Tagen nach, wenn Merlin segelfertig gemacht ist. Ich bin heute schon unterwegs, via Istanbul und Dalaman nach Kaȿ. Die Reise kann beginnen. Mein Laserschwert, den Sprengstoff und die Drogen durfte ich behalten. Selbst meinen Bart.

Apropos Istanbul. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich 2018 meinem Nachbarn auf dem Gang-Sitz erklärte, dass wir gerade den neuen Flughafen überfliegen, der just an dem Tag eingeweiht wurde. Er hat einen Satz in Türkisch durch die Kabine geplärrt und die Hälfte der Passagiere haben sich von ihren Plätzen erhoben und zur linken Seite aus den Fenstern geblickt. Der Kapitän war damals sicherlich schwer mit nachtrimmen beschäftigt.

Zurück in die Gegenwart. Beim Weiterflug von Istanbul nach Dalaman ist mir eine Flugbegleiterin aufgefallen. Sie sah genauso aus wie die Moderatorin und Ulknudel Constanze Lindner vom Bayerischen Fernsehen. Nur etwas dunkler gebräunt und mit rotem Dutt. Allerdings mit deutlich mehr Ü im Vokabular. Den Rest der Tour von Dalaman nach Kaş verbringe ich als einziger Passagier im klimatisierten 9sitzer Bus. Der Fahrer hätte durchaus als Kamikaze-Pilot sein Geld verdienen können, was aber die Fahrzeit deutlich verkürzte und auch keine Langeweile aufkommen ließ.  Zwischen Haustüre und Bootssteg sind es immerhin 10 Stunden. Entsprechend gerädert lasse ich mich an Bord, nach einem Beruhigungsschluck aus der Heineken-Brauerei, in meiner Koje darnieder.

Mittwoch, der 9. Oktober.

Zum Glück kugelt noch Schnellkaffee an Bord rum. Von der Sorte der keinerlei Aufwand bedarf. Wo Kaffeepulver, Milch und Zucker bereits vorgemischt sind. Lediglich Gas und Wasser muss aktiviert werden. Als Erstes muss anschließend der Landstromanschluss in Gang gesetzt werden. Das hat gestern Nacht nicht mehr richtig geklappt. Der Marina-Elektriker schafft es auf anhieb. Dann erst mal ne Dusche, bevor es zu längeren Verhandlungen ins Büro geht. Der Jahresvertrag für den Liegeplatz muss neu verhandelt werden. Die immer weiter steil ansteigende Inflationsrate in der Türkei gestaltet die Verhandlungen schwierig. Letztendlich haben Serkan und ich dann doch ein paar Prozente raushandeln können. Nachmittag hat sich Mustafa, unser neuer Agent mit dem schönen Nachnamen Ararat, angekündigt, um das Transitlog auszustellen und mir reichlich Geld dafür abzunehmen. So vergeht der erste Tag an Bord wie im Fluge und mein Geldbeutel ist jetzt schon auf ein Minimum geschrumpft. Aber morgen kommt ja die Bordkasse angeflogen.

Donnerstag, der 10. Oktober. Die Crew kommt.

Ingrid hat gestern schon eine Rose auf Vaters Grab gelegt. Heute ist sein Geburtstag. Obwohl für ihn nur die Fliegerei zählte, ist er doch einige Male mitgesegelt und war begeistert. Beim Schnellkaffee wandern meine Gedanken weit zurück. Ich kann sie ruhig schweifen lassen. Die Crew wird erst um 11:30 Uhr eintreffen und an Bord ist bereits alles soweit gerichtet. Die Katze vom Nachbarboot stattet mir einen Besuch ab.

Nachdem sämtliche Reisetaschen und Rucksäcke unter Deck verstaut sind, nehmen wir im Marina-Restaurant Passarella ein verspätetes Frühstück ein. Wie immer nutzen wir die Zeit, eine Einkaufsliste zu erstellen. Und wie immer entsteht die gleiche Diskussion, dass es viel zu viel Trinkwasser wäre, wo hingegen die Biermenge unmöglich reichen wird. Der Nachmittag gestaltet sich mit Einkaufen, Boot einräumen, Klamotten verstauen, Orientieren und ein wenig relaxen. Schließlich war es ein Nachtflug und außer Christian konnte keiner wirklich die Flugzeit zum Schlafen nutzen. Den Sonnenuntergang genießen wir am Amphitheater. Diesmal sind wir sogar pünktlich und können die letzten Sonnenstrahlen genießen.

Zum Abendessen ging es ins Yeşil Restaurant. Ein sehr einfaches Lokal, aber mit ausgezeichnetem und günstigem Essen. Übrigens das erste Lokal, dass ich damals im März 2015 in Kaş betreten habe. Mittlerweile werde ich dort per Handschlag begrüßt. Anschließend geht es in eine Bar oberhalb des Hafens. Ein zugiges Plätzchen mit wackeligen Barhockern und lauter Musik.

Nicht mein Geschmack, aber man scheint das jetzt so zu mögen. Den Absacker nehmen wir traditionell an Bord ein. Es scheint, die Crew ist mental angekommen und entspannt, oder aber auch nur recht müde. Jedenfalls ist um 22:30 Uhr Zapfenstreich.

Freitag, der 11. Oktober. Der erste Tag auf See (07:30Uhr, 1011hPa, sonnig, 25 Grad, kein Wind)

Wie bei der Vorbesprechung bereits durchgesickert, gibt es zwei Frühaufsteher im Team. Das kann unangenehm sein, zumindest, wenn man seine Koje Mitschiffs hat. Es hat aber auch Vorteile. Da die Jungs sofort los sind und den restlichen Proviant in Form von Obst, Gemüse und Brot vom Markt geholt haben. Und wenn einer der Frühaufstehen auch noch Kaffee kochen kann, ist das ebenfalls von Vorteil. Die Zeit des Pulver-Schnellkaffees scheint vorüber zu sein.

Unseren Plan, um 09:30 Uhr abzulegen, haben wir überpünktlich eingehalten. Der Windfinder, unser Wetterprogramm hat tatsächlich mal recht. Selbst draußen, nach dem Kap Ada Burun kommt kein brauchbarer Segelwind auf. Und so soll es die ganze Woche weitergehen. Trotzdem wollen wir, quasi zum üben, die Segel schon mal auspacken. Da reißt doch glatt die Leine des Großreffs. Ausgerechnet die einzige Endlosleine an Bord die zur richtigen Funktion gespleißt werden muss. Wir wechseln die Großschot um und machen mit dem Boot derweil ein paar undefinierte Kreise. Das rückt die Küstenwache auf den Plan. Sie kommen näher und letztendlich längsseits. Als wir symbolisch die gerissenen Strickenden in die Höhe halten, dampfen sie wieder ab.

Wir beschließen umzukehren und in der Marina eine neue Leine zu kaufen. Ansonsten könnten wir, den ganzen Törn, mit dem Großsegel nur noch am Wind-Kurse fahren. Um 13:00 Uhr legen wir längsseits neben der Tankstelle an und kaufen für 1.700 TL knapp 23 Meter Tauwerk. Eine halbe Stunde später sind wir schon wieder unterwegs. Felix steuert uns in die Bucht Bayindir Limani, direkt gegenüber Kaş. An altbekannter Ankerstelle auf 8 Meter Wassertiefe 40 Meter Kette gesteckt. Mit einem gut spürbaren Ruck beim Ankersetzten ist der erste Segel-Tag beendet und das Ankerbier zischt ins Glas. Schwimmen und tauchen ist angesagt. Selbstgebackene Pizza mit Salat und Rotwein führen in einen harmonischen Abend über. Gute und interessante Gespräche an Deck, bei sternklarer Nacht mit vielen Bierchen und dem einen oder anderen Raki. Um 23:00 Uhr kehrt Ruhe ein.

Bemerkungen: 10NM; Abgezirkelt, da Speed-Log nicht geht; Mann über Bord Manöver klappt vorzüglich; Unserem Udo von der Crew per WhatsApp zum Geburtstag gratuliert.   

Samstag, der 12. Oktober. Ein langer Schlag.  (05:45Uhr, 1011hPa, sonnig, 26 Grad, kein Wind)

Um 05:45 Uhr ist wecken. Um 06:00 Uhr Anker auf. Bei Mondschein verlassen wir die Bucht. Nachtfahrt. Hinter den Hügeln wird es aber schon langsam hell.

Kurs Karacaören. Um 09:00 Uhr befinden wir uns querab Kalkan. Kurze Zeit später kommt es zu einer recht außergewöhnlichen Begegnung. Ein Pulk Extremschwimmer quert unseren Kurs. Wir weichen dem Feld nach rechts aus. Es geht weiter auf allzu bekannter Strecke. Zunächst kommt der endlose Sandstrand, anschließend die sieben Kaps, bei deren Anzahl ich immer ins Zweifeln komme. Die See ist glatt. Ich muss dabei immer an die Folienattrappe in der Augsburger Puppenkiste denken. Die Älteren unter uns werden Jim Knopf noch kennen. Um 13:00 Uhr sind wir querab der Schmetterlingsbucht, die wir aber erst am Rückweg besuchen werden. Es gibt Mittagessen. Gemischter Salat, getoastetes Weißbrot und diverse fränkische Wurst- und türkische Käsespezialitäten. Um 14:45 Uhr treffen wir in Karacaören ein. Erstaunlicherweise liegt nur eine einzige Yacht hier. Aber die Touri-Dampfer umschwärmen uns pausenlos mit ihrer aufdringlichen lauten Musik.

Weitere Yachten kommen hinzu. Von einer werde ich mit „hallo Thomas“ begrüßet. Es ist ein früherer Charterkunde der Merlin und kommt aus Erlangen. Nach einem kräftigen Stoß ins Nebelhorn werden wir zum Abendessen mit dem Motorboot abgeholt.

Die urige Atmosphäre auf der Terrasse begeistert mich immer wieder. Allerdings sind die Preise mittlerweile derart unverschämt geworden. Schade eigentlich. Der Absacker findet wie üblich an Deck statt. Diesmal mit Bordell-Beleuchtung ganz in Rot. Gegen 22:00 Uhr geht’s in die Kojen.

Bemerkungen: 43NM; Krümmer im Zulauf der Toilette undicht. Gott sei Dank nicht im Ablauf.

Sonntag, der 13. Oktober.  (07:00Uhr, 1013hPa, sonnig, 28 Grad, wieder kein Wind)

Wir wollen zeitig los nach Ekincik bzw. in die My Marina. Die soll allerdings, laut dem Erlanger Segler, geschlossen sein. Um 08:00 Uhr legen wir von der Boje ab und verlassen die Bucht über die Untiefe der Gemiler Rede. Kurs 280 Grad.

Groß und Fock helfen bei der Motorfahrt etwas mit. Mittag gibt es Salat und türkische Wurst in der Pfanne gebraten. Die Geschmäcker könnten nicht unterschiedlicher sein. Um 13:30 Uhr querab Kap Dişibilmez können wir erstmals motorlos segeln. Mit drei Knoten rauschen wir dahin. Doch die Freude währt nicht lange. Bald gesellt sich der Dieselmotor wieder dazu. Um 16:00 Uhr legen wir überaus vorbildlich mit Mooring und Achterleine am Steg der My Marina an.

Es gibt Wasser und Strom sowie einen kleinen Laden, dem wir einen Großteil seiner Bierbestände plündern. Der Vorschlag auch einen Liter H-Milch nachzukaufen, wird letztlich abgelehnt. Wir sind von Russen umgeben. Entsprechen hoch ist die Lautstärke. Doch es gibt auch ruhige und freundliche Exemplare. Zum Beispiel die Familie am Nachbarschiff. Für 19:00 Uhr haben wir im Nobel-Restaurant einen Platz reserviert. Allerdings ist aus MERLIN dort wohl BERLIN geworden, was für einige Verwirrung sorgt.

Dank disziplinierter Rückhaltung bei Vor- und Nachspeisen kommen wir mit 250 Euro aus. Im Leistungsvergleich zu Karacaören fast ein Schnäppchen. Den Absacker gibt es dann wieder an Bord. Um 22:00 Uhr ist Nachtruhe angesagt. Nacht ja, Ruhe nein. Zwei stundenlang hysterisch kreischende Russenweiber duellieren sich mit unseren quietschenden Fendern.

Bemerkungen: 35NM; tolle sanitäre Anlagen in der MyMarina, nur an die Klowürfel in den Waschbecken muss ich mich noch gewöhnen.

Montag, der 14. Oktober. Landgang. (07:30Uhr, 1012hPa, sonnig, 28 Grad, Windstill)

Um 08:30 Uhr werden wir zum (halb)Tagesausflug nach Dalyan zu den Felsengräbern und der antiken Stadt Kaunos abgeholt. Die Tour habe ich mittlerweile schon viermal mitgemacht. Das erste Mal am 19. September 1994. Also vor über 30 Jahren bei meinem ersten Törn als Skipper.

Der Guide hat sich damals in Dalyan so volllaufen lassen, dass sein kleiner Sohn uns heimfahren hat müssen. Unser Führer hingegen ist stock nüchtern. Er schippert uns durchs Schilf-Labyrinth bis zur antiken Stadt Kaunos und weiter zu den Felsengräbern.

Gegen Mittag kehren wir mit vielen Eindrücken und um 150 Euro erleichtert zurück.  Wir müssen Merlin versetzen, da sich für Nachmittag eine Regatta in der My Marina angekündigt hat. So fahren wir das kurze Stück bis in die Bucht von Ekincik und ankern auf 6 Meter Tiefe mit 40 Meter Kette. Der Ausflug muss sehr anstrengend gewesen sein, da die komplette Crew in eine Art Tiefschlaf verfällt und erst gegen 16:00 Uhr wieder Bewegung ins Boot kommt. Landausflüge schwimmenderweise stehen an. Anschließend zur Kräftigung ein Kapitäns-Dinner. Spaghetti mit zweierlei Sauce, Salat und Rotwein. Danach wird an Deck ein kompletter Kernspin-Tomograph bildlich in seine Einzelteile zerlegt und wieder zusammengesetzt.  Aus Richtung MyMarina schallt es indes herüber. Diesmal haben wir allerdings mit Wolfgang Ambros Watzmann eine ebenbürtige Gegenwaffe. Es wird spät. Abgesehen der üblichen Schnarch Geräusche ist die Nacht ruhig.

Bemerkungen: 3NM; Wasser gebunkert. Auch etwas Trinkwasser nachgekauft.

Dienstag, der 15. Oktober (07:30Uhr, 1012hPa, sonnig mit Schleierwolken, 28 Grad, zeitweise Wind)

Wir haben den westlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Heute geht es ein gutes Stück zurück. Geplantes Ziel war die Sarsala-Bucht im Göҁek-Golf. Aber ich möchte eigentlich noch weiterkommen. Das ermöglicht uns vielleicht doch noch einen Besuch bei meinem alten Freund Hassan einzuplanen. Die Crew stimmt, mehr oder weniger freiwillig zu. So soll das heutige Ziel die erst für morgen geplante Schmetterlingsbucht sein. Aber vorher noch ein kurzer „Schwumm“ ums Boot. Nicht zum Vergnügen, sondern eher zu reinigungszwecken. Um 08:30 Uhr schippert uns Felix aus der Bucht. Der Wind frischt auf und wir können segeln.  Selbst die Richtung passt einigermaßen, so dass wir mit 5 Knoten Fahrt unserem Ziel entgegensteuern. Leider hat der Spaß gegen 10:00 Uhr wieder ein Ende und der Motor kommt zum Einsatz. Da ich zwar schon mal in der Schmetterlingsbucht war, aber noch nie über Nacht dort geankert habe, folgen mehrere Mails und ein Telefonat mit Bernhard aus München, der uns den optimalen Ankerplatz verrät. Gegen 17:45 Uhr kommen wir in der Bucht an.

Wir ankern auf 19 Meter Tiefe mit 50 Meter Kette und werden dabei lautstark von Reggae Music unterstützt. Abends, als die Tagesgäste in ihre Hotels abtransportiert werden, wird es merklich ruhiger. Wie gesagt, ich war hier schon einmal. Es muss 1988 gewesen sein. Zu einem Badestopp. Damals war ich noch ein einfaches Crewmitglied auf einer Charteryacht aus Marmaris. Wir waren ziemlich durchgeknallt und hatten ne Menge Spaß. Einige hatten ihre Gleitschirme dabei und sind vom Babadag, dem höchsten Berg in der Umgebung, gesegelt. Geil!

Heute, über 35 Jahre später geht es deutlich gesitteter zu. Zur Abwechslung gibt es abends mal kalte Platte. Den Absacker wie immer an Deck, bei atemberaubendem Vollmondaufgang.

Damals war unser Schlachtlied „Mare Mare“ von Luca Carboni. Die heutigen musikalischen Vorlieben der Crew schwanken im abendlichen Wunschkonzert von Deep Purple bis Helene Fischer. An dieser Stelle möchte ich keinen Kommentar abgeben.

Bemerkungen: 38NM.

Mittwoch, der 16. Oktober (06:45Uhr, 1014hPa, sonnig, 26 Grad)

Wir müssen zeitig los, um die Tagesaufgabe vor Sonnenuntergang zu bewältigen. Um 06:00 Uhr Anker auf. Kurs Richtung Kekova. Es liegen 10 ½ Stunden Fahrt vor uns. Der schwache Wind hilft etwas mit und bläht die Segel auf. Um 13:00 Uhr querab Heybeli Adasi kurz noch mal nachgerechnet. Es könnte eine knappe Sache werden. Aber ich kenne die Ankerbucht. Es sollte daher auch kein Problem sein, bei Dunkelheit den Anker zu werfen.  Um 14:30 Uhr sind wir querab Kastellorizon, oder besser gesagt Meis, wie die Türken die Insel nennen. Um 16:00 Uhr sind wir bei der Durchfahrt zur Insel Içada angekommen. Bei Tageslicht anzukommen, wird immer wahrscheinlicher. Zumal nach der Durchfahrt Wind aufkommt. Wir kreuzen und halsen bis zur Einfahrt in den Kekova-Golf und sind sogar deutlich schneller als unter Motor.

Beim dritten Versuch hält er Anker auf 3.8 Meter Tiefe mit 45 Meter Kette. Und das noch bei Tageslicht. Hassans Tochter holt uns ab. Es wird ein schöner Abend mit vielen Vorspeisen, Fisch und Meeresgetier als Hauptgang sowie Salat, Chips und einige Bierchen.

Und viel zu viel Raki. Um 22:45 Uhr werden wir zum Boot zurückgebracht. Beim Absacker reichen diesmal keine Lieder aus. Es müssen schon Videos sein. Jürgen von der Lippe mit seiner Korkennummer und natürlich der Bembers der Kain Schwarzer und etliche Schafe trifft.  

Bemerkungen: 55NM.

Donnerstag, der 17. Oktober (08:00Uhr, 1013hPa, sonnig mit Cumulus-Wolken, 24 Grad, WIND!!!)

Die Nacht war kurz. Heute geht es zurück bis zur Bucht vor Kaȿ. Es kommt kein rechter Schwung in die Truppe. Die Nachwirkungen des gestrigen Abends sind deutlich spürbar. Schwimmen oder nicht schwimmen ist die entscheidende Frage. Um 10:00 Uhr gehen wir Anker auf. Nach der Ausfahrt aus Kekova erwartet uns erstmals richtig guter Segelwind. Wir legen uns ins Zeug und kreuzen mit langen Schlägen gen Norden auf.

Zum Ziel hin machen wir eigentlich recht wenig Höhe, aber wir bleiben eisern. Jeder darf mal ran. Der Tag entschädigt für die vielen Flauten, die wir diese Woche erlebt haben. Es würde durchaus so weitergehen, aber wir kämen nicht vor Einbruch der Nacht in die Bucht. So starten wir querab der Insel Ḉoban den Diesel. Das Großsegel will im oberen Bereich nicht in den Mast zurück. Die Jungs lassen nicht locker. Mit viel Ehrgeiz und entsprechender Technik gelingt das Bergen dann doch noch. Lars erhält für hervorragende Leistung am Großsegel einen Orden verliehen.

Gegen 17:15 Uhr biegen wir in die Bucht vor Kaş ein und werfen am schon ausgelatschten Platz den Anker. Wassertiefe 10 Meter bei 50 Meter Kette. Der Wind bläßt selbst in der gut geschützten Bucht am Abend weiter. Es gibt Linguine al Carbonara und natürlich gemischten Salat dazu. Auch Christian bekommt feierlich einen Orden verliehen.  Wegen umsichtiger und professioneller Ankermanöver während der ganzen Woche.

Der Absacker an Deck währet nicht lange. Die Nachwirkungen des gestrigen Abends stecken anscheinend noch immer in den Knochen. Um 22:00 Uhr kehrt Ruhe ein.

Bemerkungen: 18NM; Serkan 35€ für WLAN nachladen in die gemeinsame Schiffskasse. Um 23:10 Uhr löst der Ankeralarm aus. Entwarnung: Der Wind hat um 180 Grad gedreht und die Kette hat sich neu ausgerichtet. Ein Reset, dann blieb die Nacht über ohne Störungen.

Freitag, der 18. Oktober (07:00Uhr, 1014hPa, sonnig mit nächtlicher Restbewölkung, 22 Grad, schwacher Wind)

Ich will wie immer zeitig in der Marina eintreffen. Die Wecker, sprich Handys sind gestellt. Und wie so häufig weckt uns Nana Mouskouri mit ihrem guten Morgen Song. Da bleibt niemand freiwillig liegen. Um 08:40 Uhr Anker auf und ab nach Hause. Etwas über eine Stunde später sind wir daheim.

Die 77 Liter Diesel, die wir nachtanken, sind den vielen Flauten und den langen Tagestouren geschuldet. Aber das war es wohl Wert.  Jetzt werde ich erst einmal eine halbe Stunde dauerduschen. Mit Süßwasser versteht sich. Die „Gämsen“ unter uns zieht es auf die Berge, zu den Höhlen hoch über Kaş.

Der nicht so sportliche Rest der Truppe, zum Cappuccino in die Oxygen-Bar bei 30er Jahre Jazz-Musik. Am Nachmittag geht´s für die Jüngeren und jung gebliebenen ins Hamam. Die türkischen Massöre können ziemlich kräftig zulangen. Das sieht man deutlich an den verklärten Blicken nach der Rückkehr unserer Badegäste. Das Abendessen im Sempati war wieder ausgezeichnet. Allerdings mit einem bitteren Beigeschmack, da uns der Aushilfskeller bei der Währungsumrechnung doch glatt um 100,- € beschummeln wollte. Aber unserem Schatzmeister entgeht sowas nicht.  Eigentlich hätte auch er einen Orden verdient. Der Chef hat jedenfalls daraufhin seinen hochgelobten Nachtisch spendiert. Und Raki. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob der edle Tropfen nicht doch auf der Rechnung erschienen ist.

Den allerletzten Absacker gibt es wieder an Deck. Bis auf drei Dosen vom gelben Malzgetränk und einer Handvoll Nüsse wird vor dem Schlafen gehen alles vernichtet.

Bemerkungen: 8NM; Jeder zahlt noch mal 100,- € in die Bordkasse ein. Dinghi entsalzt und verstaut.

Samstag, der 19. Oktober Es geht nach Hause.  (08:00Uhr, 1013hPa, sonnig mit Quellbewölkung; 20 Grad Windstill)

Wir werden erst um 15:30 Uhr abgeholt und trotzdem bricht um 08:30 Uhr die totale Hektik aus. Einer stopft sich noch schnell die Backen mit Restproviant voll. Die anderen wühlen und wuseln in sämtlichen Taschen und Rucksäcken. Die erste Tasse Kaffee bringt dann doch etwas Ruhe rein. Ich habe handschriftlich einen Arbeitsplan erstellt, was alles vor der Abreise bootsseitig noch zu erledigen ist. Frischwasser-Tank leeren, Ventile schließen, Müllentsorgung, die Gummidichtungen der Luken „vasilinieren“, Vorhänge schließen, Wäsche wegbringen, usw. usw. Alles wird zügig abgearbeitet. Dann geht’s zum Mittagessen ins Kuşhane, einem sehr guten Schnellrestaurant, in dem wir für den Preis eines gestrigen Steaks alle zusammen satt werden. Der Fahrer pickt uns pünktlich „behind Migros“ auf und liefert uns genauso pünktlich am Flughafen Antalya ab. Wir sind nicht die einzigen Fluggäste. Es entsteht ein, wenn auch geregeltes, Chaos ungeahntem Ausmaß. Es scheint als wolle halb Deutschland zur gleichen Zeit heimfliegen. Von den anderen Nationen ganz zu schweigen.  Aber irgendwie kommen wir doch mit nur leichter Verspätung, kurz vor Mitternacht, in Nürnberg an.

Dann mal auf, zu neuen Abenteuern.    

Bemerkungen: Endreinigung innen und außen incl. Wäsche 140,- €; Transfer 5 Personen 140,- €. Positionslampe achtern, Birne erneuert und auf LED gewechselt.

 Gesamtstrecke: 210 NM Dieselverbrauch: 77 Liter.

Skipper T1homas